Klosterfragen #1

5270 Gummersbach“ ist eine Facebook-Gruppe, die das historische und zeitgenössische Gummersbach in Bildern, Postkarten und Anekdoten behandelt. Für mich war sie ein Trittbrett für meine Beschäfitung mit oberbergischer Geschichte und es ist mir eine Ehre, sie mittlerweile als Co-Administrator betreuen zu dürfen. Vor einigen Tagen stellte der Nutzer „Christoph Be“ in dieser Gruppe folgende Frage:

[I]st mit „Prämonstratenserinnenkloster Gummersbach“ das ehemalige Kloster bei Derschlag oder bei Vollmerhausen gemeint oder gab es noch ein drittes Kloster in GM?

Dies machte mich aus mehreren Gründen stutzig. Erstens waren mir keine Kloster in Derschlag oder Vollmerhausen bekannt, zweitens auch kein anderes Kloster im Oberbergischen, das von Prämonstratenserinnen geleitet wurde. Während das erste Mysteriosum noch zu behandeln sein wird, präzisierte „Be“ den Grund seiner Frage wiefolgt:

Das Kloster Beselich im Westerwald wurde von Nonnen des Prämonstratenserinnenkloster Gummersbach besetzt. Steht dort so auf einer Hinweistafel, da mir ein entsprechendes Kloster in GM jedoch nicht bekannt ist, habe ich hier entsprechend nachgefragt.

Zwar lag die besagte Hinweistafel nicht als Fotographie vor, jedoch erhärtete sich diese Behauptung durch eine Recherche im Internet. So schreibt der „Verein zur Erhaltung der Klosterruine Beselich“ auf seiner Internetpräsenz: „Ein unbekannter Verfasser vertritt im Kirchenkalender Limburg aus dem Jahre 1938 die Meinung, dass der mächtige Einrich-Gaugraf Ludwig III. von Arnstein, der selbst in ein Kloster eingetreten war, das Beselicher Kloster für die Töchter seiner reichen Standesgenossen hätte errichten lassen. Dies solle er auch bei anderen Klostergründungen wie Enkenbach, Mariental, Gummersbach und Brunnenburg im Lahntal getan haben“. Und etwas weiter im Text:

[D]as Kloster war auch schon länger durch den Verfall der Sitten im Kloster bedroht. Es wurde nun einige Zeit überlegt, das Kloster in ein Männerkloster umzuwandeln. Man entschied aber schließlich, das Kloster wieder neu aufzubauen und mit Schwestern des Prämonstratenserinnenklosters Gummersbach neu zu besiedeln.

Der Wikipedia-Artikel zur Klosterruine Beselich übernimmt dies wortwörtlich (natürlich ohne Zitation, aber dies ist eine andere Problematik). Irgendwer musste hier einen Fehler gemacht haben. Die Beselicher Homepage verwies auf mehrere Quellen zu ihren Texten, wovon ich mir die früheste — Georg Wagner: Kloster- und Wallfahrtsstätte Beselich, Wiesbaden-Dotzheim 1935 — zukommen ließ. Wagner schreibt dort auf Seite 18:

[E]in neuer, aus wenigen Personen bestehender Konvent hielt seinen Einzug zu Beselich. Für diese Neubevölkerung hatte der Abt von Arnstein Nonnen aus dem Kloster Gummersheim berufen.

Des Rätsels Lösung lag also an einem Übertragungsfehler. Eine kurze Recherche im Internet bestätigte, dass es ein ebensolches Prämonstratenserinnen-Kloster namens Gummersheim gegeben hatte, wenn auch der Ort heutzutage nicht mehr existiert. Die Frage ist nun, an welcher Stelle der Fehler stattfand, ob erst auf der Homepage oder in der Sekundärliteratur nach Wagner. Wer sich die Mühe der Fernleihe machen möchte, kann sich hierzu gerne bei mir melden.

Abschließend kann also festgehalten werden, dass es in und um Gummersbach nie ein Nonnenkloster von Prämonstratenserinnen gegeben hat. Die Hinweistafel an der Klosterruine Beselich und die entsprechenden Passagen im Internet beruhen auf einem Übertragungsfehler. Die Beselicher Nonnen kamen aus dem Kloster Gummersheim, nicht Gummersbach. Der weiteren (und komplizierteren) Frage, die der Post von „Christoph Be“ aufgeworfen hatte, nämlich nach angeblichen Klostern in Derschlag und Vollmerhausen, werde ich in einem anderen Artikel nachgehen.

Als Rudi Carrell nicht nach Oberberg kam

„Carrell bei Fest dabei“ titelte die OVZ Anfang 1981 ein wenig unbeholfen und bezog sich auf das bevorstehende Betriebsfest der SABO-armaturen service GmbH, zu dem der Showmaster und Entertainer als Stargast geladen war. Den Kontakt hatte der SABO-Mitarbeiter Eduard „Edi“ Krone hergestellt. Krone war zusammen mit seinem Vater gleichen Namens Gast in der Silvesterfolge 1979 von Carrells Show „Am laufenden Band“ gewesen.

Dort war er durch seine Schlagfertigkeit und Entertainer-Qualitäten aufgefallen. Er entwickelte daraufhin sein eigenes Show-Konzept „Quiz für zwei“ und bekam die Unterstützung von SABO, dies auf eben jenem Betriebsfest vor firmeninterm Publikum — und mit prominenten Gästen — zu testen. Die mediale Aufmerksamkeit war also gegeben, zumal sich mit Mike Krüger und Heinz Eckner zwei weitere aus dem Fernsehen bekannte Komiker für die Veranstaltung gewinnen ließen. Nicht ohne Stolz ließ SABO also Einladungen und Eintrittskarten drucken:

In „salopper Kleidung“ sollte man sich also am 21. Februar ’81 in der Dieringhausener Aggerhalle zum Quiz-Spektakel einfinden. Allein, der Star des Abends ließ sich kurzfristig entschuldigen: Rudi Carrell gab bekannt, ihm wäre spontan ein Filmdreh dazwischengekommen. Ein Schelm wer ob Carrells Filmographie, in der sein nächster Film erst für 1988 angegeben ist, etwas Böses denkt. Krüger und Eckner kamen jedoch und trotz des fehlenden Holländers zog die geladene OVZ eine positive Bilanz:

Man sieht an dem Zeitungsbericht auch schön, dass der Stachel von Carrells Absage doch ganz schön tief saß. So soll er Eduard Krone noch in seiner Show versprochen haben, „einmal zu einem Fest ins Oberbergische zu kommen“, aber dann „galt plötzlich nichts mehr“. Trotzig wie der Oberberger nunmal ist und war, wurde am Schluss Resümee gezogen. Der „Show-Größe“ — auch im Original in Anführungszeichen — „die zwar vor einem Millionenpublikum ein Versprechen [abgegeben hat], es aber nicht für nötig [erachtete], dieses dann auch zu halten, wenn es darauf [ankam]“, bedurfte es offenbar nicht, um eine gelungene Darbietung auf die Bühne zu bringen.

Für die OVZ war die Angelegenheit damit aber noch nicht erledigt. Der Spinxer, die scharfzüngige Geheimwaffe der Zeitung, widmete Herrn Carrell noch einen zusätzlichen Kommentar. „De[n] Wortbruch des TV-Rudi“ mahnte er darin an und bedachte Carrell mit mehr oder weniger originellen Invektiven, wie „Quasselstrippe aus den Niederlanden“ oder „holländische[r] Fernseh-Rastelli“. Den Geschmähten wird es vermutlich wenig interessiert haben, wenn er dies denn überhaupt mitbekam. Dem kleinen oberbergischen Mann schien damit jedoch Genüge getan.

Bleibt festzuhalten, dass es für Edi Krone im Anschluss nicht zu einer nationalen Karriere gereicht hat. Im Gummersbacher Raum gilt er jedoch noch immer als „Original“. Diese kleine Episode, die mein Vater anhand der hier präsentierten Zeitungsausschnitte und Veranstaltungsdokumente liebevoll aufbewahrt hat, hat meiner Meinung nach jedoch als Geschichte von trotzigen Oberbergern und bösen Showmastern Ihren Wiedererzählungswert. Der Vollständigkeit halber füge ich hier noch den eingangs zitierten Artikel der OVZ und den Kommentar des Spinxer an:

Die schöne Heimat – Ein Buch des Gaues Köln-Aachen (1943)

Das kompakte selbstbezeichnete Bilderbuch der schönen Heimat wurde von Richard Ohling, „im fünften Kriegsjahr“, wie er selbst schrieb, herausgegeben und erschien im Kölner West-Verlag. Wer anhand des Erscheinungsjahres auf einen unvermeidlichen Bezug zur NS-Diktatur denkt, liegt richtig. Ohling war ab 1937 Propagandaleiter des Gaues Köln-Aachen und widmete das Buch in seinem Geleitwort „Hunderttausende[n] unserer Mitmenschen[, die] den Gau verlassen [mussten]“ (S. 5), in der Hauptsache also den Soldaten an der Front, worin sich die eingags erwähnte Kompaktheit begründet.

Der Oberbergische Kreis, als Zusammenschluss der Kreise Waldbröl (Südkreis) und Gummersbach (Nordkreis), war Teil jenes Gaues und wird in diesem Buch als Teil des Bergischen Landes abgehandelt. Wer sich allerdings auf historische Ansichten der Region freut, den werden einmal die Anzahl, ganze drei, enttäuschen und dann die Qualität, bzw. die Sujets. Während ein Bild das Gimborner Schloss zeigt, stellen die andere eher generische oberbergische Landschaften dar, die wenig Wiedererkennungswert liefern.

Otto Brües (s.u.) beschreibt das Bergische vor allem im Kontrast zur Eifel und kommt dabei zu interessanten Beobachtungen. „Die Hügelwelt des Bergischen Landes hat dabei, trotz aller Herbheit, immer noch etwas Liebliches, etwas von ‚westlicher‘ Anmut, obwohl sie im Osten liegt“. Soso. Er wird aber noch poetischer, denn „im Bergischen fließen die Farben mehr ineinander über, wie denn etwa der Frühling dort das Grün in den zartesten Abstufungen zeigt“.

Ganz sicher bewusst verharmlosen die Bilder, allen voran die Karte des Gaues, den industriellen Charakter der Region. Dies aus gleich mehreren Gründen: Eine unberührte Heimatwelt ließ sich natürlich deutlich einfacher romantisieren und der Wiedererkennungswert der Gebäude und Landschaften war auch höher als die Schlote der Fabriken — andererseits wurde damit aber auch der Eindruck erweckt, der verschlafene Gau wäre ein harmloser Ort; man wusste ja nie, wem das Heftchen noch so in die Hände geraten könnte.

Wenn auf der Karte der Name der Kreishauptstadt Gummersbach jedenfalls unter einem Hügel verschwindet und stattdessen Bergneustadt als großer Ort der Region hervorgehoben wird, dann könnte dies auch als Versuch gelten, von der kriegswichtigen Industrie in Gummersbach, namentlich der Firma L&C Steinmüller, abzulenken. Nur die Bayer-Werke in Leverkusen werden auf der Karte hervorgehoben, aber diese waren ja ohnehin über die Grenzen hinaus bekannt.

Der Schriftsteller und Wehrmachtsoffizier Otto Brües beschreibt in pathetischer Sprache Sinn und Zweck des Buches und bemüht sich, die gezeigten Bilder mit Kontext zu unterfüttern. Dabei werden die Heimatliebe, der Waffenstolz [sic] und der Durchhaltewillen der Köln-Aachener beschworen, schließlich war 1943 das Jahr, in dem der Krieg sich bei Stalingrad drehte und vermehrt durch alliierte Bombenflieger im deutschen Reichsgebiet ankam.

Nun hat es mit diesem Bilderbuch eine besondere Bewandtnis, es zeigt die Städte und Städtchen eines Gaues, den die mörderischen Folgen des Luftkrieges gegen die zivile Bevölkerung, des Luftterrors, besonders hart getroffen haben (S. 11)

So beschreibt Brües die Umstände, selbstverständlich ohne darauf aufmerksam zu machen, dass jener Luftterror zuvor auch selbst betrieben wurde; London, Coventry und andere ließen grüßen. Überhaupt fällt der plumpe Versuch Brües‘ ins Auge, aus der selbstverschuldeten Zerstörung der „schönen Heimat“ einen Gewinn zu schlagen: „eine Drachensaat geht davon auf, eine Saat des Zornes, ja, des Hasses, in jedem Fall eine Saat der Anklage“ (S. 13).

Eben dies bleibt von dem an sich doch so harmlosen Bilderbuch. Das Propagandablatt sollte sich in eine Reihe von Maßnahmen einfügen, die den Soldaten an der Front und den Zivilisten in der Heimat einschwören sollten auf einen bald schon aussichtslosen Krieg. Interessant aber ist es aufgrund seiner Sprache, die wieder Einzug gehalten hat in Teilen der deutschen Öffentlichkeit. „Die schöne Heimat“ möge denen, die von der Verteidigung der Heimat sprechen, als warnende Lektüre empfohlen sein. Aber, ach, vermutlich würden sie doch nur auf die Propaganda hereinfallen.

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